Aus dem Vorwort zur 2. Auflage

Bereits Anfang der neunziger Jahre bestand kaum ein Zweifel daran, dass die fortschreitende Kommerzialisierung der öffentlichen Kommunikation zu einer weiteren Konzentration auf allen Ebenen der Medienindustrie führen würde (und natürlich umgekehrt: dass die Konzentration zu einer weiteren Kommerzialisierung führen würde). Kaum absehbar war damals jedoch, wie rapide der Ökonomisierungsdruck zu einer Verschlechterung der von mir analysierten Bedingungen an der Basis des Mediensystems, in den Redaktionen und unter den Journalisten, führen würde. Die weltweite ökonomische Krise zu Beginn des neuen Jahrtausends sowie sektorspezifische Probleme haben die Lage innerhalb der Medienorganisationen verschärft und über eine betriebswirtschaftliche Umsetzung des äußeren ökonomischen Drucks zu einer weiteren Fokussierung der Medienproduktion auf marktgängige Formate geführt.

Nicht Diversifikation der journalistischen und sonstigen Medieninhalte, sondern die Fortsetzung und Beschleunigung der von mir analysierten Homogenisierungsprozesse sind das Ergebnis. Eine nicht unwesentliche Konsequenz der verschlechterten ökonomischen Lage ist die Situation in der Gruppe der arbeitenden Journalisten und der hinter ihnen stehenden arbeitslosen Reservearmee, die sich über die Verstärkung des Anpassungsdrucks in einer antizipativen Reproduktion als marktkonform perzipierter Inhalte niederschlägt. Die Konvergenzdiskussion, in welcher die Frage im Vordergrund stand, ob und inwieweit zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Medien eine Vereinheitlichung der Inhalte eintrete, ist faktisch überholt: An der tendenziellen intra- und intermedialen Angleichung der Medien zweifelt heute kaum ein ernstzunehmender Beobachter.

Anders als zur Zeit der Entstehung des Buches als man sich eines simplistischen und simplifizierenden ökonomischen Reduktionismus verdächtig machte, wenn man die Aufmerksamkeit auf die Mechanismen der Industrialisierung der Kultur lenkte, besteht heute kaum ein Zweifel mehr daran, dass das öffentliche Bild der Politik, wie es von den Medien produziert wird, wesentlich, wenngleich nicht ausschließlich, aus seinen durch-kommerzialisierten Herstellungsverfahren zu erklären ist.

Das Buch hat, auch hier seiner Zeit voraus, ganz besonders das Fernsehen im Auge, da es eine Leitfunktion für den gesamten Medienbereich ausübt. Die Analyse erhebt jedoch den Anspruch, das System der Massenmedien insgesamt zu beleuchten. Zwar bestehen weiterhin signifikante Unterschiede zwischen dem audio-visuellen Medium und zumindest den anspruchsvolleren Segmenten der Printmedien: Sowohl die Ausführlichkeit mit der bestimmte Themen behandelt werden als auch die Darstellungsmethoden differieren. Im Fernsehen wird die Dauer der für Beiträge und Meinungsäußerungen zur Verfügung stehenden Zeit längst in Sekunden gemessen und naturgemäß steht in diesem Medium das Bild im Vordergrund.

Doch gleichen sich praktisch alle übrigen Medien den Vorgaben des Fernsehens zunehmend an: In den Prozessen der Informationsauswahl und -aufbereitung, im Modus der Publikumsansprache, der Betonung des Unterhaltungscharakters der Inhalte und der immer stärkeren emotionalen Aufladung des präsentierten Materials unterscheiden sie sich oft nur noch gering. Die Wirtschaftspresse beispielsweise unternimmt größte Anstrengungen, um durch sprechende Bilder und eine bildhafte Sprache den Rezeptionsgewohnheiten eines durch das Fernsehen konditionierten Massenpublikums zu entsprechen. Selbst das Streben der Verlagsindustrie gilt heute der Inszenierung von „Buch-Events“, bevorzugt durch die Hinzuziehung von Autoren, die als Medienpersönlichkeiten aus dem Fernsehen bereits zu Prominenz gelangt sind.

Die Bewegung hin zur Präsentation der Politik als mediengerechtes – das heißt: fernsehgerechtes – Massenspektakel, als Schauspiel, in welchem die issues austauschbar werden und die images den größten Stellenwert gewinnen, hat sich fortgesetzt und weiter gesteigert. Zur Strategie der Inszenierung und Personalisierung von Politik und ihrer möglichst graphischen Aufbereitung ist zwischenzeitlich die für unbefangene Beobachter vielleicht verblüffende durchgängige Emotionalisierung getreten. Die Zielrichtung der Polit-Strategen und Image-Manager, aber auch der Journalisten, ist mittlerweile eindeutig: kognitive Barrieren zu umlaufen, um affektive Reaktionen in ihren Zielpublika hervorzurufen.

Je mehr diese gezielte Emotionalisierung des öffentlichen Diskurses verstärkt wird, desto wahrscheinlicher ist eine zunehmende Schwächung der kritischen Kapazitäten der Öffentlichkeit bei einer gleichzeitigen Verstärkung irrationaler Momente zu diagnostizieren. Dieser Prozess läuft nicht naturwüchsig ab, er hat klar lokalisierbare Quellen, zuvorderst die U.S.-amerikanischen Wahlkämpfe, die als Modell weiterhin stilbildend sind. Der Rest der Welt folgt den Amerikanern auf dem Fuße.

Auch andere der hier vorgelegten Analysen nehmen spätere Diskussionen und Befunde der Fachöffentlichkeit frühzeitig (das Buch entstand zwischen 1991 und 1993) vorweg: So setze ich mich im ersten Kapitel ausführlich mit den Prozessen der Globalisierung und den sich daraus ergebenden politischen und ökonomischen Entwicklungen auseinander, die in Wissenschaft und Medien erst Jahre später zu einer breiten Debatte führten, welche dann schnell von einem unterdifferenzierten Diskurs geprägt wurde, dem die fortschreitende „Globalisierung“ (was auch immer damit gemeint war) als Axiom galt.

Den Ausgangspunkt der Analyse bildete die Beobachtung sich internationalisierender Medienströme und die sich daraus ergebende Frage nach den Konsequenzen für die traditionelle Politik der Nationalstaaten. In der öffentlichen Diskussion dominierte schnell die These, die zunehmende Interdependenz der Welt aufgrund der Vernetzung vor allem in Kultur und Ökonomie werde durch eine Schwächung nationaler Identitäten und staatlicher Instanzen zu einer Überwindung überkommener politischer Strukturen führen. Ich habe dem eine differenziertere Sichtweise entgegengestellt, deren Kernpunkt lautet, dass die Globalisierung auf einer Ebene, z.B. der Ökonomie oder der Kultur, nicht zwangsläufig zu einer Globalisierung der Politik im Sinne einer Überwindung oder Schwächung des Staates führt.

Gerade an den Besonderheiten der Medien lässt sich dies veranschaulichen. Erstens: Zwar steigt das inter- und transnationale Kommunikationsaufkommen, doch ist dabei keineswegs von einem gleichförmigen Globalisierungsprozess auszugehen. Denn ein Großteil des globalen Medienstromes hat seinen Ursprung in nur wenigen Zentren, die um die Vorherrschaft streiten, zuvorderst den USA. Zweitens: Medieninhalte, selbst importierte Kommunikationsprodukte werden den jeweiligen nationalen Gegebenheiten angepasst, eine globalisierte Medienproduktion führt somit nicht zur Vorherrschaft global einheitlicher Kulturerzeugnisse (und erst recht nicht zu global einheitlichen Medieneffekten).

Dies lässt sich besonders deutlich für die Nachrichtenmedien demonstrieren, die ihr Rohmaterial zwar von globalen Agenturen beziehen, dieses jedoch regional unterschiedlich selektieren und vor der Veröffentlichung den Rezeptionsgewohnheiten ihrer örtlichen Zielpublika und den politischen Gegebenheiten des jeweiligen Verbreitungsgebietes anpassen. Nachrichtenmedien fokussieren Informationen und, per Implikation, die Aufmerksamkeit ihres Publikums auf den geographischen Raum, in welchem sie verbreitet werden, und dessen nationalstaatliche Akteure. Dieser Befund gilt weltweit und trifft auch auf nicht-journalistische mediale Inhalte beispielsweise auf Marketing-Kampagnen zu, für die sich nur wenige Beispiele eines global einheitlichen länderübergreifenden Auftritts finden. Selbst die scheinbar am stärksten globalisierten Medien, die Unterhaltungsindustrie, kommen nicht umhin, ihre Produkte auf kulturell bedingte örtliche Perzeptionen auszurichten.

Die Globalisierungsdebatte lief, wie gesagt, mehrere Jahre in die entgegengesetzte Richtung. An der sukzessiven Schwächung nationalstaatlicher Strukturen bestand lange Zeit scheinbar kein Zweifel, ihre letztendliche Abschaffung galt vielen Beobachtern nur als eine Frage der Zeit. Erst seit Ende der neunziger Jahre werden Fragen jenseits der Globalisierungsweisheiten von der Kommunikationsforschung wieder verstärkt diskutiert. Fragen wie: In welchem Grad ist die Strukturierung der Medieninhalte als staatszentriert zu bezeichnen? Führen die Medien zur Stärkung universalistischer oder nationalistischer Werte? Welche Rolle spielen die Medien in der internationalen Politik?

Pierre Bourdieu beispielsweise sieht das potentiell Neue an den heutigen „nationalistischen Delirien“ in den „von den modernen Kommunikationsmitteln gebotenen Möglichkeiten, diese primitiven Leidenschaften auszubeuten“. Bourdieu zitiert die Berichterstattung über die Olympischen Spiele als einen Fall, in dem sich die „Wettbewerbslogik“ der Medien, wie sie sich im ökonomisch bedingten Quotenkampf manifestiert, mit der (Re)Produktion eines kruden Nationalismus beispielhaft verbindet. Das kommerzielle Medienprodukt Olympiade erfordere die „Befriedigung nationalistischer Gefühle“ der jeweiligen Zielpublika, um die Möglichkeit eines ökonomischen Profits zu gewährleisten. Somit stehen der einen „national scheinbar nicht differenzierten“ Sportveranstaltung viele aus nationalen Blickwinkeln produzierte Medienrepräsentationen gegenüber.

Die sich häufende Zahl solcher Studien ist ein deutliches Anzeichen dafür, dass dem Problemkomplex, dem sich die vorliegende Untersuchung in aller Ausführlichkeit widmet, endlich eine wachsende Aufmerksamkeit zuteil wird. Die von uns schon frühzeitig vorgenommenen Differenzierungen haben nichts von ihrer Relevanz verloren und finden sich durch die nachfolgende wissenschaftliche Diskussion tendenziell bestätigt: Globalisierung auf der Ebene der Politik impliziert, trotz zunehmender trans- und internationaler Vernetzung, eben auch und vor allem die Wiederbestätigung und fortschreitende Differenzierung politischer Strukturen nach nationalstaatlichem Muster.

Somit gilt es, den Blick für politische Widersprüche und Paradoxien zu schärfen: Beispielsweise geht die Reduzierung des Staates durch die anhaltende Ausdünnung seiner Sozialsysteme mit einer starken Ausweitung seiner Kontroll- und Sicherheitsapparate einher. Die Versorgungsleistung des Staates nimmt ab, seine Überwachungstätigkeit nimmt zu. Seine Überwindung jedoch ist nicht in Sicht.

Mit der Funktion von Gewaltdarstellungen in den Massenmedien für die „national-imperialen“ Staaten hat sich Peter Sloterdijk auseinander gesetzt. Er rekurriert auf antike Modelle wie die Ilias von Homer und die römischen Zirkuskämpfe um die historische Genese, die Erscheinungformen und die Funktionen heutiger Gewaltdiskurse zu erörtern. Dabei sei eine Renaissance des „römischen Amüsierfaschismus“ auszumachen: Die massenmediale Gewalt bewirke die Zivilisierung des Volkes, indem sie, gerade in Zeiten zunehmender Chancenlosigkeit, zugleich als Katalysator für Angst wie auch als Mittel der Disziplinierung fungiere: „Für die meisten“, so Sloterdijk, „gibt es kein gelungenes Leben mehr, sondern nur noch ein gedehntes Scheitern.“

Massenkommunikation unter diesen Bedingungen diene der täglichen Indoktrination, „Kolumnisten, Prediger und Revoluzzer hauchen der Masse Einheit ein“. Die Bilder der Gewalt und die Rolle der Medien als Übermittler seien dabei keineswegs als harmlos einzustufen. Denn durch die strukturelle Wiederholung oder gar die Hervorbringung der Gewalt würden die Medien zu deren Komplizen. Das Publikum befinde sich nicht nur in einer Position des teilnahmslosen Beobachters, es partizipiere vielmehr in einer Art ästhetischen Kommunion.

Solche Spekulationen finden indirekte Bestätigung von unerwarteter Seite: Die neuere Geschichte des internationalen Terrorismus ist nicht nur die der Ausübung, sondern auch und gerade der gezielten Inszenierung von Gewalt in Ausnutzung ihrer medialen Potenzierbarkeit. Lange vor den Medienwissenschaftlern haben Terroristen die Möglichkeiten der Reproduktion und Multiplikation von Gewalt durch die Medien erkannt. Deren Rolle in diesem Prozess ist in der Tat nicht als harmlos einzustufen: Sie wiederholen die Gewalt, sie vervielfachen sie und sie liefern wohl oft überhaupt erst den für ihre Hervorbringung entscheidenden Katalysator. Denn sie sind es, die dem Terror eine öffentliche Bühne bieten.

Eine kritische Medienanalyse wie die vorliegende ist angesichts solcher bedenklichen Entwicklungen weiterhin dringend geboten, nicht zuletzt angesichts der sich häufenden Fälle von Systemversagen, wie es in Kriegszeiten wiederholt zu konstatieren ist. Waren die begrenzten militärischen Konflikte der achtziger Jahre Generalprobe und Präzedenzfall des ersten Golfkriegs, so ist dieser wiederum als Generalprobe und Präzedenzfall für den nächsten großen Konflikt im darauf folgenden Jahrzehnt, den Golfkrieg, der zum Sturz des irakischen Regimes führte, zu sehen.

Unmittelbar nach dem ersten „Fernsehkrieg“ im Golf war viel von der Rolle der Medien als Legitimationsbeschaffer für die kriegsführenden Parteien die Rede. Die Gleichschaltung der internationalen Kriegsberichterstattung durch das U.S.-Verteidigungsministerium über einen zentralen Verteiler, den Nachrichtenkanal CNN, der damals noch kaum Konkurrenz zu fürchten hatte, war historisch beispiellos. Gerade deswegen jedoch, so meinten viele Beobachter, sei die Rolle der Medien in jenem Krieg als Anomalie, als historischer Ausrutscher, jedenfalls nicht als „typisch“ zu betrachten. Wer also großes Aufhebens um eine solche Ausnahme machte, setzte sich dem Verdacht aus, seine eigene Agenda zu verfolgen, indem er den Ernstfall zum Normalfall stilisierte und dadurch die Dinge verdrehte.

In einer Zeit von permanentem Terror und Gegen-Terror, in der der Ernstfall den Normalfall darstellt, sehen wir klarer: Die zeitweilige annähernd totale Integration des öffentlichen Diskurses im Zuge des jüngsten Krieges im Irak zeigt, dass die Geschichte in der eingeschlagenen Bewegungsrichtung weiter geht. Gerade im Krieg als Ernstfall, also dann, wenn es darauf ankäme, ist mit den Medien als Kontrolleuren der Macht meist nicht oder nicht rechtzeitig zu rechnen. Somit ist eine Fortsetzung und allem Anschein nach sogar eine Intensivierung der analysierten Entwicklungsdynamik zu konstatieren. Und es sieht fast so aus, als wären diese Trends in Zukunft weiter steigerungsfähig.

Nicht ganz zielführend scheint in diesem Kontext die in Deutschland geführte Debatte darum, wer die Oberhand habe, die Politik über die Medien oder umgekehrt. Wie das Beispiel der jüngsten internationalen Konflikte demonstriert, ist diese Frage für eine wichtige Kategorie von Fällen ganz klar zu beantworten: Im Krieg beherrscht die Politik die Medien der kriegsführenden Parteien. Dass die Kriegsunterstützung durch die und in den Medien meist nicht einhundertprozentig ist, dass der Vorschuss-Bonus, welcher den Regierungen eingeräumt wird, nicht zeitlich unbegrenzt, sondern nur bis zu dem Termin gilt, an dem Zweifel an der Legitimität oder der Adäquanz der Kriegspolitik auftauchen und Konflikte innerhalb der politischen Elite entstehen, sollte über dieses Faktum nicht hinweg täuschen.

Dies hat sich auch nach den Terrorangriffen vom September 2001 erneut bestätigt: Viele Monate lang präsentierten die U.S.-amerikanischen Medien ein eindimensionales Bild der Aggressoren, des Typus der zu konfrontierenden Bedrohung und der Angemessenheit der dagegen einzuleitenden Kriegsmaßnahmen. Erst als klar wurde, dass die Dinge weniger klar waren als sie von der Bush-Administration dargestellt wurden, als der Krieg sich in eine Art zweites Vietnam verwandelte und schließlich mit dem Bekanntwerden der Folterungen an irakischen Kriegsgefangenen durch U.S.-Militärs und der falschen Geheimdienstinformationen über die im Irak angeblich vorhandenen Massenvernichtungswaffen, die den Ausschlag für den Krieg gegeben hatten, der somit selbst den Anschein der Legitimität verlor – also erst sehr viel später – begannen die U.S.-Medien entscheidende Fragen zu stellen.

Die pauschale Behauptung, es gebe nur wenige empirische Belege dafür, dass die Medien in westlichen Demokratien „von der Politik abhängig“ seien, wie sie von Vertretern einer Theorie der „Kolonisierung“ der Politik durch die Medien geäußert wird, ist somit schlichtweg falsch. Denn eine solche Abhängigkeit existiert in der Tat und sie ist bestens belegt für das Gebiet der Politik, auf dem der Primat nationalstaatlicher Souveränität seinen klassischsten und kontinuierlichsten Ausdruck findet, dem Feld der „auswärtigen Beziehungen“. Diese Vorherrschaft der Politik basiert keineswegs nur auf Zwang, sie wird aber durch das staatliche Informationsmonopol in der Außen- und Sicherheitspolitik und das routinemäßig zur Anwendung gebrachte Zensurinstrumentarium wesentlich begünstigt.

Die Frage, wer wen dominiere, die Politik die Medien oder umgekehrt, ist bereits im Ansatz falsch gestellt, nicht nur weil sie klar identifizierbare Ursache-Wirkungs-Relationen unterstellt, wo es sich in Wirklichkeit um reflexive Prozesse handelt, die zur Selbstverstärkung neigen, sie also den spezifischen Charakter der Wechselwirkungen verkennt, um die es geht. Sie ist nicht zielführend, da sie übersieht, in welchem Maße beide Seiten sich je selbst „kolonisieren“ – die Politik, indem sie sich freiwillig die Modi der Medien aneignet, und die Medien, indem sie sich freiwillig dem Primat der Politik unterordnen. Und sie ist geradezu irreführend, da sie die Sicht auf die wechselseitige Instrumentalisierung verstellt, die eben oft auch und zumeist dann wenn es gerade darauf ankommt in einer Dominierung der Medien durch die Politik resultiert, die sich die Kanäle der Massenkommunikation für ihre Zwecke zunutze macht.

Es zählt zu den größeren Ironien der gegenwärtigen historischen Situation, überrascht im Grunde jedoch nicht, dass die sukzessive und systematische Trennung von Politik und Öffentlichkeit, die mediale Produktion eines artifiziellen unwahrhaftigen Bildes der Politik und die daraus resultierende politische Entfremdung der Gesellschaft von der Wissenschaft zum zwangsläufigen Resultat des Zusammenspiels einer abstrakten Medienlogik und der demokratischen Motive der politischen Protagonisten (die sich um die Integration der größtmöglichen Zahl der Bürger bemühten) deklariert wird. Einer solchen Analyse zugrunde liegen kann freilich nur ein merkwürdiger Partizipationsbegriff, dem schon die gezielte Produktion und Vervielfältigung politischer Pseudo-Informationen, hinter denen sich die tatsächlichen Abläufe systematisch verbergen, als hinreichender Beleg für demokratische Motive gilt.

Es ist sicher angemessen festzustellen, dass der Prozess der Trivialisierung, Sensationalisierung und Personalisierung der Politik in den Medien zur reflexiven Selbstverstärkung neigt. Dies bedeutet jedoch nicht zwingend, dass dieser Prozess quasi automatisch, vom intentionalen Handeln zentraler Akteure abgekoppelt und sogar wider deren Willen abläuft. Denn die Verflachung der Politik ergibt sich eben nicht nur aus dem Prozess der Mediatisierung „als solchem“, auch nicht aus dem Zwang, den Nachrichtenwerten der Berichterstatter zu entsprechen, sie wird vielmehr von zahlreichen Protagonisten aktiv und bewusst betrieben. Die Geschichte des politischen Emotainment ist so alt wie die Geschichte der politischen Rhetorik; sie reicht in der Form der auf den Affekt der Massen zielenden Erbauungsrede bis in die Antike zurück.

Die Trivialisierung der Politik ist somit nicht das Ergebnis irgendwelcher abstrakten unveränderlichen Medienregeln, sondern des kühl kalkulierten Handelns rationaler Akteure, die sich aus den neuen Möglichkeiten der Projektion von Scheinpolitik (zum Beispiel durch Auftritte in Spiel- und Talkshows, zu denen niemand sie zwingt) einen politischen Vorteil erwarten. Der Sache angemessen ist somit die Diagnose, dass unter den heutigen Bedingungen, in denen elektronische Massenmedien die gesellschaftliche Kommunikation dominieren, diejenigen Akteure in Politik und Wirtschaft die größten Selektionschancen genießen, denen es gelingt, das von ihnen zu beherrschende Repertoire der Techniken des Machterwerbs und -erhalts um die Methoden mediengerechter affektiver Kommunikation zu erweitern.

Solche Akteure werden sich zur Präsentation einer öffentlichen Scheinpolitk zur Befriedigung des Geschmacks der Massen nicht erst zwingen lassen. Ihnen sind die Anforderungen des Systems, dessen Teil sie sind und an dessen Spitze sie zu gelangen versuchen, wohl vertraut. Ihnen wird es darum gehen, die (meist leicht vorhersehbaren) Erwartungen der Journalisten zu antizipieren und, den Medien einen Schritt voraus, öffentlichkeitswirksame Inszenierungen zu generieren. Die eigentliche Politik jedoch wird, für Medien und Öffentlichkeit kaum zugänglich, hinter den Kulissen betrieben. Der charismatische Führer, der Schein und Sein sorgfältig zu trennen weiß, genießt einen gesteigerten Vorteil – eine für die politische Theorie wahrlich nicht neue Erkenntnis. Neu an der gegenwärtigen Situation ist der Grad, in welchem der sich mediengerecht präsentierende Kommunikator gegenüber seinen weniger adepten Konkurrenten bevorzugt wird.

Verdeutlichen lässt sich die tatsächliche Relation von Konstanz und Wandel auch durch einen Blick auf ein anderes System, das sich im Zuge der Verbreitung der Massenmedien ebenfalls verändert hat, ohne dadurch seine Gestalt zu verlieren: die Ökonomie. Wie in der Politik kommt wirksamen Kommunikationstechniken im wirtschaftlichen Wettbewerb sowohl der Realökonomie als auch der Finanzmärkte heute zweifellos eine wachsende Bedeutung zu. Die Konkurrenten auf den wettbewerbsintensiven globalen Märkten sehen sich zunehmend von der Notwendigkeit konfrontiert, eine Produktdifferenzierung mittels eines medial generierten Mehrwertes zu erzeugen, dessen wesentliches Charakteristikum darin besteht, dass er in der Perzeption avisierter Zielgruppen entsteht.

Die Notwendigkeit zur Anpassung an die veränderte Situation verschafft denjenigen Akteuren einen Vorteil, denen es gelingt, bewährte Managementstrategien um neue Kommunikationsformen zu ergänzen, um aus der geschickten Instrumentalisierung der Massenmedien Wettbewerbsvorteile zu ziehen. Wohlgemerkt: Die Chancen liegen in der Erweiterung des Instrumentariums, nicht dessen Ersetzung. Ökonomisches Handeln im Zeitalter der Massenmedien verändert seine Erscheinungsformen nicht zuletzt aufgrund einer erhöhten Dynamik durch medial beschleunigten und intensivierten Wettbewerb. Die grundlegende Mechanik der Marktwirtschaft wird jedoch durch die Medien nicht außer Kraft gesetzt.

Die Theorien von der Prädominanz des Mediensystems, von der Okkupierung und Unterwerfung der Macht in Politik und Wirtschaft durch die Medien oder der Verlagerung politischer und ökonomischer Entscheidungsprozesse in den Medienprozess kranken somit an ihrer übermäßigen Fixierung auf ihr Untersuchungsobjekt, an der Überbetonung des Neuartigen, der Inszenierungs- und Vermittlungstechniken, der Simulations- und Virtualisierungsformen, zulasten einer adäquaten Strukturanalyse nur in historischer Perspektive zu erklärender sozialer, politischer und ökonomischer Tiefenstrukturen. Diese Tiefenstrukturen bleiben denjenigen Medientheoretikern verborgen, deren Blick sich im Zirkel von mediengerechter Präsentation und medialer Repräsentation verfängt, den sie letztlich noch reflexiv bestätigen.

Ein nicht unwesentlicher Effekt solcher Theoriearbeit ist die Versachlichung der zur Diskussion stehenden politischen Entwicklungen zum Resultat quasi zwangsläufiger und letztlich unvermeidbarer systemischer Prozesse, die sich angeblich auch hinter dem Rücken und gegen den Willen anders meinender Individuen durchsetzen. Solche theoretischen Versuche sind somit weniger als adäquate Analyse, denn als Spiegelung und Symptom der Verhältnisse zu betrachten, deren Bedingungen sie zu verstehen versuchen. Verlässliche Aussagen über die Beziehung von Staat und Medien werden  erst gewährleistet durch systematische Bemühungen, das Politische, das hinter dem medialen Schein verborgen ist, wieder zum Vorschein zu bringen. Denn es gibt keine „Logik der Massenmedien“ per se, unabhängig von ihrer politisch-ökonomischen und -administrativen Verfasstheit.

Die Massenmedien als Vermittlungssystem und technischer Kommunikationsapparat sind an sich flexibel genug, um Raum für die verschiedensten Wirklichkeitskonstruktionen zu bieten. Die spezifischen Inhalte und Bilder der Medien, die Darstellung der politischen Wirklichkeit, der Grad ihrer (Un)Angemessenheit oder (Un)Wahrhaftigkeit obliegen dem bewussten Entscheidungshandeln der maßgeblichen Akteure in Politik und Medien, sie fallen somit unter deren Verantwortung. Alternativen sind prinzipiell stets denkbar und möglich. Werden diese nicht geboten, und genau dies ist in der gegenwärtigen Situation der fortschreitenden Verflachung und Vereinheitlichung des vorherrschenden veröffentlichten Bildes der Politik zu konstatieren, so auch und vor allem aus dem Grund, dass sie von den Verantwortlichen in Politik und Medien nicht gewünscht werden.

Die fortschreitende Industrialisierung der Kultur im allgemeinen und die bereits vollzogene Kommerzialisierung der Medien im besonderen, welche die Voraussetzungen für die heutigen Formen der Mediatisierung der Politik überhaupt erst schufen, gingen nicht „naturwüchsig“ vonstatten, sie waren von den Regierenden der westlichen Demokratien gewollt, sie wurden in einer Deregulierungswelle forciert betrieben und sie wurden dadurch erst ermöglicht. Die wahrscheinlichen Folgen für den öffentlichen Diskurs waren absehbar, auf sie wurde von zahlreichen Kritikern frühzeitig hingewiesen. Dass es sich bei den daraus resultierenden Machtverschiebungen zwischen Staat und Öffentlichkeit allein um nicht-intendierte Nebenwirkungen handelt, ist äußerst unwahrscheinlich.

Aus dem Vorwort zu Thomas Schuster, Staat und Medien. Über die elektronische Konditionierung der Wirklichkeit. 2., erw. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 9-21.